Pressespiegel

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Wer kennt es nicht: Im nächsten Moment wird der Mörder im Krimi entlarvt, da klingelt das Telefon. Natürlich eine unterdrückte Nummer. Natürlich eine näselnde Stimme am anderen Ende: «Guten Abend, Peter Muster von der Firma Teleramsch AG, kennen Sie schon unser neues Bundleangebot?» Und schon haben Sies verpasst.

Vor allem Telemarketing-Anrufe - sogenannte Outbound-Callcenter - werden oft als störend empfunden. Diese Sparte macht zwar nur rund 15% des Marktes aus. «Aber sie ist in den letzten Jahren stark gewachsen», sagt Raphael Raetzo, Pressesprecher und Mitglied des Vorstands des Callcenter-Verbandes CallNet.ch.

 

Güter mit Informationsbedarf

Aber nicht nur diese Callcenter haben in der Öffentlichkeit einen miserablen Ruf. So steigt laut dem Merchants Global Contact Centre Benchmarking Report auch bei Beschwerde- und Informationshotlines die Zahl abgebrochener Anrufe. Bei den Callcentern steht generell der Kundenwert nicht eben im Vordergrund. Weniger als 10% aller Unternehmen messen den Lifetime Value eines Kunden, lediglich 18% evaluieren die Kundenrentabilität. Nur 16% der in der Studie befragten Callcenter zählen die «Herstellung direkter Kundenbeziehungen» zu ihren wichtigsten Geschäftszielen. Und so verwundert es denn nicht, dass zwar der Begriff Kundenfokus inzwischen im Management regelrecht gedrillt wird, aber die Umsetzung in der Praxis hapert.
«Vor allem gewisse Unternehmen der Telekombranche haben schlicht zu wenig Geld für Servicekräfte. Das führt zu langen Wartezeiten und zu billigen Tools mit Mängeln», beobachtet Nils Hafner, Leiter des Nachdiplomlehrganges CAS «Customer Focus» an der Hochschule Luzern.
Bei Unternehmen mit grösserer Marge werde das Callcenter aber ebenfalls häufig als Stiefkind behandelt. «Das Mittelmanagement wird oft vergessen. Die Unternehmensleitung entwickelt häufig abstrakte Strategien, ohne sich darum zu kümmern, ob die Botschaften tatsächlich richtig verstanden und an die Front weitergegeben werden. Zudem fehlen leicht lernbare Führungsinstrumente für Teamleiter in Verkauf und Service», mokiert sich der Experte. Weiter sei es immer noch üblich, eine hohe Anzahl an Verkaufsabschlüssen zu belohnen statt die Beratungsqualität.

Hier liegt eines der Hauptprobleme von Callcenters. Denn viele Produkte mit einer Hotline haben einen hohen Informationsbedarf. Allen voran sind es Telekomangebote, Versicherungen und Bankdienstleistungen. Bei solchen Gütern ist laut Hafner bei einem Grossteil der Kunden die Bereitschaft klein, überhaupt verstehen zu wollen, wie das Produkt funktioniert. «Deshalb fühlt man sich gegenüber dem Callcenter-Agenten schon im Vorneherein verunsichert und wird im Umgang erst recht ungeduldig oder aggressiv», beobachtet er. Eine sorgfältige Schulung der Callcenter-Agenten sei darum besonders wichtig.


Demotivierende Arbeitsteilung

«Wichtig zu sehen ist, dass ein gutes Produkt zu einem tiefen Preis mit einem ausgezeichneten Service nicht möglich ist», betont Raetzo. Im Klartext: Unternehmen müssen in die Ausbildung, in eine ausreichende Anzahl Callcenter-Agenten, in die Karriereplanung, in Freiräume bei der Arbeit und in höhere Löhne investieren. Besonders zentral ist es nach Ansicht Raetzo’s, bei der Mitarbeiterbeurteilung einen Paradigmenwechsel weg von der Quantität hin zur Qualität zu machen. Als Beispiel nennt er die Auszeichnung des «Service Champions» bei der Swisscom.
Ein weiteres Problem ist die hohe Fluktuationsrate in Callcentern: Sie beträgt laut dem Global Contact Centre Benchmarking Report über 20%. «Um die Mitarbeitenden zu halten, sollte der Taylorismus in den Callcentern aufgebrochen werden», fordert Raetzo. Analog zu den Industriebetrieben im 19. Jahrhundert soll seines Erachtens die zwar effiziente, aber extrem ermüdende Arbeitsteilung wieder rückgängig gemacht werden. Das kann etwa bedeuten, dass ein Agent nicht bloss Neuanmeldungen abwickelt, sondern den umfassenden Prozess von der Anmeldung, über einfache Funktionalitätsfragen bis zur Rechnungsstellung bearbeitet. Einigen Banken und Versicherer handhaben dies bereits so. «Ein solches Modell hat aber auch zur Folge, dass ein Mitarbeiter bis zu drei Monate Ausbildung benötigt, bevor er ans Telefon gelassen werden kann», warnt Raetzo.
Die Agenten sollten zudem nicht bloss am Telefon sitzen, sondern auch einen Ausgleich zur psychisch belastenden Arbeit haben. Verschiedene Grossunternehmen nutzen dazu Tätigkeiten im Backofficebereich. Hilfreich ist es laut Raetzo zudem, die Callcenter-Mitarbeitenden auch in Prozesse wie Qualitätsmanagement oder bei Optimierungsprojekten einzusetzen. Ausserdem kann die Aussicht auf eine Fachkarriere die Tätigkeit am Telefon aufwerten. Auch ein Ermessensspielraum bei der Abwicklung der Fälle erhöht die Arbeitsmotivation; beispielsweise die Möglichkeit, erbosten Kunden Minuten gutzuschreiben.
Ein Problem ist auch die Isolation der Callcenter-Mitarbeitenden vom Betrieb. So haben bloss 26% der Agenten das Gefühl, Teil der Unternehmenskultur zu sein. Besonders schwierig ist die Identifikationsfindung bei den outgesourcten Callcentern. Doch auch hier gibt es Lösungen: So ist das Callcenter von Orange nicht nur mit orangen Möbeln ausgestattet, sondern Mitarbeitende von Orange werden auch beim Coaching und Qualitätsmanagement des Callcenters eingesetzt.

Quelle: http://www.handelszeitung.ch/artikel/Management-Hotlines-eine-oft-vergessene-Imagefalle_620085.html