Pressespiegel

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Digitalisierung bedeutet nicht zwangsläufig die Integration von künstlicher Intelligenz. Eine Branche, der man veraltete Arbeitsprozesse nachsagt, ist die Wohnungswirtschaft. Mieter werden nicht wie Kunden, sondern wie ein Störfaktor behandelt. Andreas Tutsche tritt an, um hier einiges zu bewegen und zu verbessern.

Dennis Schottler: Sie sind kein klassischer Callcenter-Dienstleister. Was unterscheidet Sie maßgeblich von den typischen Outsourcern?

Andreas Tutsche:

Wir haben eine sehr hohe IT-Affinität. Wir sehen in Zukunft das Abarbeiten von Anrufen zu 90 % durch Maschinen (KIs). Es wird sich wie ein normales Gespräch anfühlen, nur dass das Gegenüber kein Mensch ist. Aktuell macht unsere IT-Abteilung ca. 30 % des Gesamtpersonalstammes aus, Tendenz steigend. Ein klassisches Callcenter liegt hier bei 0–5 %. Des Weiteren versuchen wir mit unseren Kunden Prozesse zu gestalten und nicht nur Informationen aufzunehmen und weiterzuleiten. Das geht dann so weit, dass wir ganze Themengebiete voll abarbeiten können, so dass bei unseren Kunden in Bezug auf diese Kontakte kein zeitlicher Aufwand mehr entsteht. Unser Ziel ist eine echte Entlastung.  

 

Dennis Schottler: Nutzen Sie bzw. Ihre Auftraggeber KI für die Mieterkommunikation?

Andreas Tutsche:

Ja, aktuell liegen wir in einem Bereich von 10–15 % (tages- und kundenabhängig), den wir mit unseren Bots abarbeiten, den Rest machen unsere Agenten. Der Anteil der Bots ist stark steigend. Ende nächsten Jahres werden wir bei 25 % sein, so der Plan. Wir arbeiten uns themenbezogen durch und entwickeln für jedes Thema einen Bot. Mit „Bot“ ist hier im Übrigen nicht eine Sprachführung gemeint, wie etwa „wählen Sie die 1 für …“. Wenn wir über „Bots“ sprechen, dann soll sich das annähernd wie ein Gespräch anfühlen. Also Fragen als Satz und individuelle Antworten als Satz durch den Bot. Hierbei gibt es aktuell aber noch Herausforderungen. 



Dennis Schottler: … und inwiefern unterscheidet sich aus Ihrer Sicht die „einfache“ Digitalisierung der Arbeitsprozesse von einer echten Integration Künstlicher Intelligenz?

Andreas Tutsche:

Die Dynamik, dass die KI entscheidet, wie und ob der Prozess umgesetzt wird. In der „einfachen“ Digitalisierung schaut man sich einen Prozess an und versucht, ihn digital abzubilden. Dieser ist dann statisch und läuft so, bis wieder ein Mensch eingreift. Ein Prozess mit KI ist dynamisch und wählt immer den errechneten optimalen Weg der Umsetzung. 



Dennis Schottler: Es scheint, als ob viele Unternehmen heute behaupten, bereits KI in ihren Prozessen zu nutzen. Glauben Sie, dass diese Behauptungen manchmal mehr Schein als Sein sind? Welche Kriterien würden Sie anlegen, um echte KI-Integration von bloßer Digitalisierung zu unterscheiden?

Andreas Tutsche:

Ja, also die erste Frage würde ich tatsächlich mit „ja“ beantworten. „KI“ ist zurzeit ein Buzzword und wird deshalb natürlich gern im Marketing verwendet. Man muss schon als Kunde genau hinschauen und die richtigen Fragen stellen, um zu prüfen, ob es tatsächlich der Einsatz von KI ist. Am Ende ist es aber auch eine Definitionsfrage, was uns zur zweiten Frage führt. KI bedeutet ja nur, IT-basierte Maschinen intelligent zu machen. Das kann auch schon ein guter Algorithmus leisten. Ich persönlich mache es daran fest, dass eine Maschine individuell, angepasst auf die Herausforderung oder das Thema richtige Lösungen anbietet.  



Dennis Schottler: Als Geschäftsführer eines Outsourcing-Unternehmens für Mieterdialoge haben Sie sicherlich einen tiefen Einblick in die Wohnungswirtschaft. Wie beurteilen Sie den aktuellen Stand der Integration von künstlicher Intelligenz, insbesondere bei der Mieterbetreuung? 

Andreas Tutsche:

Die Oracom ist spezialisiert auf die Immobilienwirtschaft. Das heißt, dass bei uns nicht nur Mieter anrufen. Wir haben zwar vorwiegend Miethausverwaltungen bzw. Genossenschaften als Kunden, aber eben auch eine beträchtliche Anzahl an WEG-Verwaltern. Hier rufen dann meist die Eigentümer von Eigentumswohnungen an. Deshalb sprechen wir nie von „Mietern“, sondern immer von „Bewohnern“. Bewohner schließt beide Gruppen ein. Zur Frage: Es gibt eine starke Entwicklung. Viele Immobilienverwaltungen setzen auf Ticketsysteme wie Casavi und facilioo die ebenfalls KI-basiert arbeiten. Zu beiden Systemen haben wir eine Schnittstelle und können unsere Tickets nahtlos bei unseren Auftraggebern einpflegen. Die alten Immobilienverwaltungsprogramme sind aktuell noch zu statisch oder haben andere Themen auf ihrer Roadmap. Da ist wenig zu erkennen, ob da tatsächlich etwas kommt.    




Dennis Schottler: SQUT steht für Service, Qualität und Technik. Inwieweit halten Sie den Einsatz von Künstlicher Intelligenz für einen echten Fortschritt in Bezug auf Servicequalität, und wo könnten mögliche Fallstricke lauern? 

Andreas Tutsche:

Aktueller Fallstrick ist die Rechenleistung. Die KI benötigt noch zu lange, um Antworten zu generieren. Das fühlt sich für den Anrufer noch nicht gut genug an. Das Thema wird sich aber alsbald lösen. Perspektivisch werden wir ganz normale Gespräche mit der KI führen können. Das Gute ist, dass die KI nicht emotional wird und Emotionen erkennen kann – schon jetzt. D. h. sie wird besser als ein Mensch mit z. B. aufgebrachten oder enttäuschten Anrufern umgehen können. 

Das ist insbesondere bei uns ein Thema, denn kein Bewohner ruft bei seiner Hausverwaltung an, um zu sagen, ich habe mal die Miete drei Tage früher überwiesen, weil die Wohnung so toll ist. Nein, ein Anruf bei uns bedeutet immer, es gibt ein Problem. Und da sprechen wir zu einem hohen Prozentsatz über Emotionen und Emotionen sind leider nicht sehr lösungsorientiert. Unsere Agenten sind zum Thema Deeskalation natürlich intensivst geschult, aber es bleiben ja Menschen und es besteht immer eine Wahrscheinlichkeit, dass ein Agent sich involvieren lässt. Ein Fall, den es zu verhindern gilt, für uns, unsere Kunden und unsere Anrufer. 

Einer der größten Vorteile der KI für uns ist jedoch, dass sie keinen Flaschenhals hat. Das heißt, egal wie viele Bewohner zeitgleich anrufen, sie kommen alle sofort dran. Das verbessert das Servicegefühl ungleich. Für Anrufer die unglücklich darüber sind, mit einem Bot zu sprechen, bieten wir immer an, mit einem Agenten verbunden zu werden, er muss es nur sagen. 

 

Dennis Schottler: Stellen Sie fest, dass die Einführung von KI im Bewohnerdialog dazu neigt, menschliche Interaktion zu ersetzen oder zu verbessern? Und welche konkreten Vorteile sehen Sie darin, menschlichen Service durch künstliche Intelligenz zu ergänzen?

Andreas Tutsche:

Zur ersten Frage: Das trifft beides zu. KI ersetzt natürlich die menschliche Interaktion, weil es ja kein Mensch ist, mit dem man spricht. Allerdings wird die KI es aus vorgenannten Gründen kontinuierlich immer besser umsetzen als ein Mensch, der seine Tagesleistungskurve hat oder einfach auch nur mal einen schlechten Tag – wir kennen das alle. 

Eine Ergänzung durch KI birgt mehrere Vorteile, die dazu beitragen können, die Effizienz, Qualität und Zugänglichkeit von Dienstleistungen zu verbessern. Hier sind einige der wichtigsten Vorteile:

Automatisierung von Routineaufgaben: KI kann repetitive und zeitaufwändige Aufgaben übernehmen, die normalerweise von Menschen erledigt werden. Dadurch können Mitarbeiter ihre Zeit für komplexere und wertschöpfende Aufgaben nutzen.

Schnelle und konsistente Antworten: KI-basierte Chatbots und virtuelle Assistenten können rund um die Uhr verfügbar sein und sofort auf Anfragen reagieren. Sie bieten konsistente Antworten und reduzieren Wartezeiten.

Skalierbarkeit: KI-Systeme können schnell an steigende Anforderungen angepasst werden, ohne dass zusätzliches Personal eingestellt werden muss. Dies ermöglicht eine Skalierung von Dienstleistungen bei Bedarf.

Personalisierung: KI kann große Mengen an Daten analysieren, um personalisierte Empfehlungen und Dienstleistungen anzubieten. Dies verbessert die Kundenzufriedenheit und -bindung.

 

Echtzeit-Analyse: KI kann Daten in Echtzeit analysieren, um Trends, Muster und Probleme zu identifizieren. Dies ermöglicht es Organisationen, schnell auf Veränderungen zu reagieren und Prozesse zu optimieren.

Reduzierung von Kosten: Durch die Automatisierung von Aufgaben und die effiziente Nutzung von Ressourcen können Kosten gesenkt werden, insbesondere im Bereich Kundensupport.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Integration von KI in menschliche Dienstleistungen auch Herausforderungen mit sich bringt, die sorgfältig angegangen werden müssen. Dazu gehören Datenschutz, Ethik, Verantwortlichkeit und die Sicherstellung, dass menschliche Überwachung und Intervention bei Bedarf möglich sind. Letztendlich hängt der Erfolg der KI-Integration von einer ausgewogenen Nutzung ab, die die Stärken von Mensch und Maschine kombiniert.

 

Dennis Schottler: Einige Unternehmen setzen bereits auf Chatbots und automatisierte Systeme, um Kundendialoge effizienter zu gestalten. Aber gibt es nicht einen Punkt, an dem die Künstliche Intelligenz an ihre Grenzen stößt? 

Andreas Tutsche:

Ja, aktuell ist es die Geschwindigkeit und das Wissensvolumen. An beidem wird intensiv gearbeitet. Chatbots sind eine gute Sache, am Ende ist sprechen aber die schnellere und bessere Methode des Informationsaustausches. Vor fünf Jahren bin ich davon ausgegangen, dass Apps und Chatbots unser Geschäftsmodel disruptieren. Das ist nicht passiert, weil einen Text zu schreiben mehr Aufwand auslöst und meist Informationen auch verkürzt geschrieben werden müssen. Die meisten Bewohner greifen nach wie vor zum Telefon, um ihre Anliegen zu platzieren.  

 

Dennis Schottler: Wo liegt aus Ihrer Sicht der „point of no return“ für den Einsatz von KI im Kundenservice?

Andreas Tutsche:

Wir sind mittendrin. Der Einsatz von KI wird immer stärker und die Vorteile liegen ja auch auf der Hand. Eine Umkehr zu alten Methoden, Prozesse oder Themen zu bearbeiten, sehe ich nicht mehr. 




Dennis Schottler: In einem Interview mit der Welt behaupteten Sie, ich zitiere: „Die größte Herausforderung, mit der wir gerade kämpfen, ist die Spracherkennung.“ Da spricht doch einiges für Textkommunikation via Chat versus klassische Telefonie, oder?

Andreas Tutsche:

Nein, denn das ist z. B. eine Herausforderung, die sich aktuell in weiten Teilen erledigt hat. Es funktioniert jetzt also und das WELT-Interview ist keine sechs Monate her. Der Fortschritt ist einfach so rasant. Permanent gibt es Updates, die erhebliche Verbesserungen mit sich bringen. Aktuell gibt es lediglich noch Schwierigkeiten bei der Erkennung von schwierigen Namen, alles andere funktioniert. 

 

Dennis Schottler: Gibt es aus Ihrer Sicht ethische Grenzen bei der KI-Integration, die nicht überschritten werden sollten? 

Andreas Tutsche:

Ja, aus ethischer Sicht gibt es definitiv Grenzen, die bei der Integration von künstlicher Intelligenz nicht überschritten werden sollten. Diese Grenzen sind wichtig, um sicherzustellen, dass KI-Systeme in einer Weise entwickelt, eingesetzt und reguliert werden, die die Würde, Autonomie und Grundrechte von Menschen respektiert. Zum Beispiel beim Datenschutz und bei der Privatsphäre: KI-Systeme sollten nicht dazu verwendet werden, umfassende Überwachung und Datenerfassung, ohne die ausdrückliche Zustimmung der betroffenen Personen durchzuführen. Der Schutz persönlicher Daten und die Einhaltung von Datenschutzgesetzen sind entscheidend.

Oder bei der Kommunikation, bei der es um Diskriminierung und Vorurteile geht: KI-Systeme sollten so entwickelt werden, dass sie Diskriminierung und Vorurteile nicht verstärken.

Autonomie und Verantwortlichkeit: Menschen sollten die Kontrolle über KI-Systeme behalten und in der Lage sein, Entscheidungen zu überwachen und zu übersteuern, wenn dies notwendig ist. Gleichzeitig sollten klare Verantwortlichkeiten für die Entwicklung und den Einsatz von KI-Systemen festgelegt werden.

Sicherheit: KI-Systeme müssen sicher sein und gegen Missbrauch geschützt werden. Die potenziellen Risiken und Auswirkungen von KI-Systemen sollten sorgfältig bewertet werden.




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